Manchmal frage ich mich, wo der Wunsch herrührt, Geschichten zu schreiben. Was ist da bloß schiefgelaufen?
Glaubt man den Poesiealbum-Einträgen, die ich zu Grundschulzeiten in krakeliger Schönschrift vornahm, dann wollte ich früher einmal Ingenieur werden. Das ist ein schweres Wort, weshalb ich immer erstmal meine Mutter fragen musste, wie man es schreibt (Ingenör? Ingeneur?).
Dann gelangte ich irgendwann zu der Überzeugung, dass sich die verschiedenen Tätigkeitsfelder von „Ingenören“ noch komplizierter anhörten als das Wort zu schreiben war, weshalb ich meine beruflichen Ziele früh anpasste. Ich beschloss also, Abenteurer in einer Fantasy-Welt zu werden.
Das ist dann auch nicht passiert. Zwar habe ich darauf gewartet, aber niemals öffnete sich ein Portal in eine fremde Welt, wo man mir ein Schwert in die Hand gedrückt und gesagt hätte: »Du bist der Held, den wir gesucht haben. Magst du bitte den Drachen dahinten für uns erschlagen?«. Vielleicht war das gut so, denn bereits das Nutzen von Küchenmessern zieht meine Finger regelmäßig in Mitleidenschaft. Ich glaube daher nicht, dass ich die Aufnahmeprüfung als Drachentöter bestanden hätte.
Aber anders als die Welt der „Ingeneure“, hat mich die Welt der fantastischen Geschichten nie ganz losgelassen. Immer schon habe ich mit großen Augen und Ohren Erzählungen aus fremden Welten verfolgt. Und irgendwann wollte ich sie nicht nur erzählt bekommen, ich wollte sie selbst erzählen!
Später entdeckte ich das Theaterspiel für mich und spätestens da war es um mich geschehen. Ich wusste, dass ich künftig Geschichten erzählen und natürlich auch inszenieren wollte. Das sollte mein berufliches Ziel werden.
Und dann wurde ich Althistoriker. Das kam so: Ich wollte erzählen, aber hatte keine Ahnung wovon. Am Ende meiner Schulzeit nahm ich dann, einer Laune folgend, ein altes Buch über die antike Mythenwelt zur Hand. Es stand schon seit langem im elterlichen Regal herum. Ich begann zu lesen und es öffnete sich doch noch ein Portal in eine fremde Welt.
Über die Kulturen, die sich solche fantastischen Geschichten erzählten, wollte ich mehr erfahren! Also schrieb ich mich für einen geschichtswissenschaftlichen Studiengang mit einem Schwerpunkt auf der Geschichte der Antike ein und begann viel Neues von dem sehr Alten zu lernen. Ich tat es zunächst in der Absicht, Material für eigene Geschichten zu sammeln. Ich wollte einen Fantasyroman schreiben, der in der Antike spielen und mehr Parodie als Schlachtenepos sein sollte.
Aber dann passierte es. Ich wurde Teil des Wissenschaftssystems. Erst wurde ich studentische Hilfskraft, schloss mein Studium ab und begann dann zu promovieren. Ich gab als Hochschuldozent erste Seminare und arbeitete schließlich als wissenschaftlicher Mitarbeiter an mehreren Lehrstühlen. Ich hielt wissenschaftliche Vorträge, schrieb Fachartikel, gab Sammelbände heraus und publizierte meine Doktorarbeit.
Diese Arbeit empfand und empfinde ich als sinnstiftend. Ich begleite gerne Studierende auf ihrem akademischen Weg und erlebe den fachlichen Austausch mit zahlreichen inspirierenden Menschen als sehr bereichernd.
Doch ein Teil von mir spürte, dass ihm etwas fehlte und er wurde über die Jahre hinweg immer lauter. Irgendwann war er nicht mehr zu überhören – ich hatte mich in der Geschichte eingerichtet, aber die Geschichten vernachlässigt. Also beschloss ich, der Kreativität wieder mehr Raum zu geben.
Auch als ich mich der Geschichtswissenschaft zugewandt hatte, haben die Geschichten mich nie verlassen. Ich gründete eine studentische Theater-AG. Ursprünglich war die Idee, dass wir mit der AG die überlieferten Komödien und Tragödien der Antike aufführen würden. Aber schon bald wurde klar, dass wir als AG in eine andere Richtung gehen wollten. Ich begann neben der Regie auch eigene Theaterstücke zu schreiben.
Damals lernte ich, dass man über viele gegenwartsrelevante Themen gut erzählen kann, wenn man sie mit dem antiken Hintergrund verbindet. An diese Erkenntnis knüpfe ich nun wieder an. Ich kombiniere, was bei mir schon immer zusammengehörte, aber zu lange getrennt war.
Als freiberuflicher Dozent, historischer Berater und Autor nehme ich mit der Antike die Gegenwart in den Blick, verbinde Wissenschaft mit Unterhaltung, und erzähle Geschichten mit der Geschichte im Hinterkopf.
Und den Fantasyroman von damals? Den bringe ich gerade zu Papier!